Donnerstag, 25. Februar 2016

Das Mittelalter des Stummfilms

Filmpodium, Zürich
www.filmpodium.ch

20:45

The Pussywarmers & Réka (Stimme, Keyboard, Gitarre, Banjo, Kontrabass, Trompete, Schlagzeug)

Die Aufgabe der einzig wahren Religion

In einer Zeit sich verhärtender Fronten lohnt es, sich den humanistischen Toleranzbegriff Lessings vor Augen zu führen. Da an die absolute Wahrheit für den Menschen lediglich eine Annäherung möglich ist, kommt es darauf an, sich fortwährend um eine tiefergehende Erkenntnis zu bemühen. Wer sich bereits im Besitz der Wahrheit wähnt, bringt sich selbst um die Möglichkeit einer weiteren Annäherung. Nicht das blosse Zulassen anderer Religionen und Kulturen ist gefordert, sondern ein ernsthaftes und konstruktives Sich-Einlassen auf andere Überzeugungen. Mit der Vorstellung, dass neben dem Judentum auch eine vertiefte Beschäftigung mit dem Islam eine Bereicherung bedeutet, stand Lessing allerdings schon in der Aufklärung isoliert da.

Manfred Noas Verfilmung von Lessings berühmten zur Zeit der Kreuzzüge spielenden Ideendrama ist einer der zu Unrecht vergessenen Klassiker des deutschen Stummfilms. Von den Nationalsozialisten bereits 1923 aufs Heftigste attackiert und später verboten, ist der Film erst seit 20 Jahren wieder im Umlauf. Und, er hat nichts von seiner Aktualität eingebüsst. Anders als neuere Inszenierungen im Theater hält die Verfilmung dem Geist des Stückes die Treue und der eigenen, also christlich-abendländischen Kultur in kritischer Absicht den Spiegel vor. Hier sind die Juden und Muslime aufgeklärt und tolerant – und damit das positive Gegenbild zur eigenen Kultur. Der Film ist allerdings genausowenig wie Lessings Drama ein tiefgründiges, aber formal langweiliges Traktat. Ganz im Gegenteil besticht der Film durch eine kunstvolle Dramaturgie, rasante Schnitte und schnelle Schauplatzwechsel.

Vertont wird der Film von einer Band, die das ferne Mittelalter unmittelbar in die Gegenwart holt: The Pussywarmers and Réka. Ursprünglich aus dem mediterranen Kanton der Schweiz sowie aus Ungarn stammend, befinden sich die fünf modernen Toubadoure seit mehreren Jahren auf einem internationalen Kreuzzug der anderen Art: nämlich die Ungläubigen mit ihrem postkolonialem Rock’n’Roll, bei dem es einfach jedem Menschen warm ums Herz werden muss, zu bekehren.